Aus halben Sätzen ganze machen
Sprachkritik bei Christa Wolf
von Hannelore Piehler
Verlag LiteraturWissenschaft.de (TransMIT)Marburg an der Lahn 2006
293 Seiten
ISBN 10: 3-936134-00-6 / ISBN 13: 978-3-936134-17-9
Preis: 19,80 €
Von Beginn an reflektiert Christa Wolf in ihrem Werk die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache, thematisiert „Ungesagtes“ und „Unsagbares“. Hannelore Piehlers Untersuchungen dazu führen in das Zentrum von Christa Wolfs Werk.
Zum Inhalt
Christa T. traut den Namen nicht – aus der Ahnung heraus, daß die Benennung kaum je gelingt. Kassandra will „wenigstens den Sprachkrieg“ in Troia aufhalten. Und Medeas Gedanken drehen sich am Ende um ihren Sprachverlust: „Ein Wort wie Trost. Mit vielen anderen Worten ist es in mir ausgelöscht. Sprachlosigkeit steht mir bevor.“ Von Beginn an reflektiert Christa Wolf in ihrem Werk die Möglichkeiten und Grenzen der Sprache, thematisiert „Ungesagtes“ und „Unsagbares“. Diese Studie untersucht die unterschiedlichen Facetten der Sprach- und Ideologiekritik der ostdeutschen Autorin, den Zusammenhang von Sprache und Macht, Sprache und Geschlecht, von Literatur, Sprachutopie und Wahrhaftigkeit – und führt damit letztlich genau ins Zentrum des Werks von Christa Wolf.
Autorin
Hannelore Piehler, geb. 1971, studierte nach einem Zeitungsvolontariat in Weiden/Opf. Germanistik, Kommunikationswissenschaft und Philosophie in Bamberg. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Büro der Frauenbeauftragten der Universität Bamberg sowie als freie Literaturwissenschaftlerin und -kritikerin.
Die Autorin wurde für ihre Arbeit über Christa Wolf mit dem Görres Wissenschaftspreis 2006 ausgezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
1. „Man atmet auf bei einer Sprache, die sagt, was ist“
Zauberstab Literatur 9 – Der Mensch soll „Ich“ sagen dürfen 13 – Eine Sprache, die sagt, was ist 15 – Stand der Forschung 18 – Aufbau der Arbeit 20
2. „Die gewissenlos gemachte Sprache“:
Sprache und Nationalsozialismus
2.1 Literarische Erinnerungsarbeit 25
„Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben ...“ 25 – Kein beliebiges Material 28
2.2 Sprachlenkung im „Dritten Reich“ 32
Eine Sprache finden für Unaussprechbares 32 – „Wie sind wir so geworden, wie wir heute sind?“ 33 – Sprachlenkung der Nationalsozialisten 36 – „Der Verderb der Sprache“ 39 – „Alle Deutschen lieben unseren Führer Adolf Hitler“ 42 – „Worte können sein wie winzige Arsendosen ...“ 44
2.3 Der Wirkung des Arsens ausgeliefert: Nelly 47
„Glitzerworte“ 47 – „Anders heißt wertvoller“ 50 – Kinder, Narren und Tiere 51 – Das Herz als Mördergrube 54 – „Gewisser Worte nicht mächtig“ 58 – „Kein Satz ohne schauerlichen Hintersinn“ 61
3. Die parteiische Sprache: Sprache und Sozialismus
3.1 Kommunikation in der geschlossenen Gesellschaft 65
Agitation und Propaganda 65 – Eine „befreiende und erhellende Bekanntschaft“ 68 – Vertrauensvolle Dialoge von Partei und Volk 70 – Beispiel Biermann-Affäre 73 – „Die Gründe für Ungesagtes“ 75
3.2 Das literarische Programm der Wahrhaftigkeit 76
Im Mitbesitz der Wahrheit? 76 – Wahrhaftigkeit als Voraussetzung 77 – „Unbekannt, unbenannt, unerlöst“ 80 – „Eine produktive Haltung“ 83 – Flüssig und leicht, offen und nüchtern 87
3.3 Die Kritik an Kommunikationsstrukturen der DDR 89
„ Man weiß nicht wirklich, was noch nicht ausgesprochen ist“ 89 – „Wann werden wir auch darüber zu reden beginnen?“ 90 – „Im Zeitalter des Argwohns“ 93 – Am wahren Text vorbeisprechen 96 – Die Sprache der Partei 100 – „So ist es, sagte ihr Chef“ 102 – „Eines Tages werde ich sprechen können, ganz leicht und frei“ 105 – „Der Spur der Schmerzen nachgehen“ (I) 107
4. Krieg und Sprache: der Mythos als Modellfall
4.1 Subjektwerdung durch Selbsterkenntnis: Kassandra 113
Die Bedingungen der Möglichkeit 113 – „Worte waren ursprünglich Zauber“ 115 – Propaganda um drei Schiffe 117 – Die Logik des Krieges 121 – Gastfreund, Kundschafter, Provokateur, Feind 124 – „Wieso überhaupt Krieg. Gleich immer diese großen Worte.“ 126 – Kassandras Ringen um Autonomie (I) 130 – „Öffne dein inneres Auge. Schau dich an.“ 134
4.2. Konstruktion eines Sündenbocks: Medea 137
Ein Ost-West-Drama wie aus dem Lehrbuch? 137 – Stimmen und Radikaler Konstruktivismus 141 – Mord oder Opferung? 146 – Die „Barbarin“ als Sündenbock 149 – Der kommunikative Kampf ums Dasein an der Macht 152 – Die Legende von Kolchis 156 – Kolchis und Korinth 160 – Eine gesteigerte Kassandra 162
5. Die emanzipatorische Sprache:
Sprache und Patriarchat
5.1 Weibliches Schreiben und Sprechen 167
Kriegstreiberei 167 – Ein neues Seh-Raster 170 – Die Dialektik der Aufklärung 172 – Christa Wolf und der Feminismus 175 – Die Sprache des Patriarchats 181 „Eine Poetik kann ich Ihnen nicht bieten“ 185
5.2 Ausbruch aus der männlichen Sprachzitadelle:
Kassandra 189
Kassandras Ringen um Autonomie (II) 189 – „Hier spricht keiner meine Sprache, der nicht mit mir stirbt“ 196
5.3 Segen und Fluch durch Sprache: Medea 199
Die guten Rat Wissende 199 – Die wilde Frau 201 – Die (Sprach-)Heilerin 205 – „Ich, Medea, verfluche euch“ 208
6. Die Wahrhaftigkeit der Sprache:
Sprache und Kommunikation
6.1 „Gibt es eine andere Art zu reden?“ 213
Eine Wahlverwandtschaft 213 – Mit offenem Visier leben können 215 – Smalltalk oder: eine Theorie der Geselligkeit 216 – Des Geschwätzes müde 222 – Eine philosophische Lebensform 231
6.2 Halbe Sätze, ganze Sätze 233
„Die Unschärfe aus unserer Rede tilgen“ 233 – Fehlende Worte 238 – Die Grenzen der Wahrhaftigkeit 240
6.3 Jenseits der Sprache 245
Schweigen und Körpersprache 245 – Wortloses Sprechen 249 – Ein utopischer Moment 253
6.4 Wunde Punkte, blinde Flecke 254
Das rohe Fleisch unter der Maske 254 – Ohne Wahrhaftigkeit gibt es keine Literatur 258 – „Der Spur der Schmerzen nachgehen“ (II) 261
7. Sagt denn die Sprache, was ist? –
Versuch eines Resümees
Zwischen Schweigen und „Pseudo“ ein Drittes 265 – Das Vergessen schwieriger machen 266 – „Wer jetzt nicht zu uns hält, arbeitet gegen uns“ 267 – „Mit meiner Stimme sprechen: das Äußerste“ 269 – Die Macht des Fluchs 271 – Erkenne dich selbst 272 – Das Eigentliche ist unsagbar 273 – Die Negation der Wahrhaftigkeit 274
8. Literaturverzeichnis 277